Breaking News im Arbeitsrecht: Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in Österreich und schrittweise Abschaffung der geblockten Altersteilzeit
Nachdem eine Novellierung der Rahmenbedingungen in Bezug auf Elternkarenz, Pflegefreistellung etc. sowie geblockte Altersteilzeit bereits seit längerem erwartet wurde, wurden die angedachten Änderungen nunmehr am 20. September 2023 im Nationalrat beschlossen. Die Änderungen betreffend u.a. Elternkarenz und Pflegefreistellung dienen der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates der Europäischen Union. Die Änderungen bei der geblockten Altersteilzeit sind hingegen arbeitsmarktpolitisch motiviert. In diesem Blogbeitrag geben wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten aktuell beschlossenen Änderungen.
Aufteilung der Elternkarenz zwischen beiden Elternteilen
Der volle gesetzliche Anspruch auf Elternkarenz von insgesamt 24 Monaten kann künftig nur dann ausgeschöpft werden, wenn beide Elternteile jeweils mindestens zwei Monate Karenz in Anspruch nehmen. Wird die Elternkarenz hingegen nur von einem Elternteil in Anspruch genommen, verkürzt sich – zur Umsetzung der Vorschriften der eingangs erwähnten EU-Richtlinie – die maximale Karenzdauer auf 22 Monate.
Im Falle von Alleinerziehenden oder Familien, in denen der andere Elternteil keinen Anspruch auf Karenz hat (z.B. Selbständige, Arbeitslose etc.), kann die Elternkarenz hingegen auch weiterhin von nur einem Elternteil im vollen Ausmaß von bis zu 24 Monaten in Anspruch genommen werden.
Mit dieser Maßnahme soll eine gerechtere Aufteilung der Betreuungs- und Pflegeaufgaben zwischen beiden Elternteilen erreicht werden.
Änderungen der aufgeschobenen Elternkarenz
Für den Fall der Inanspruchnahme der sogenannten aufgeschobenen Elternkarenz ist nunmehr zur Umsetzung der EU-Richtlinie ein Motivkündigungsschutz vorgesehen und Arbeitnehmer:innen können künftig eine schriftliche Begründung einer Arbeitgeberkündigung in diesem Zusammenhang verlangen. Zudem muss eine Ablehnung der aufgeschobenen Karenz von Arbeitgeber:innen schriftlich begründet werden.
Anpassung der Rahmenbedingungen von Elternteilzeit
Elternteilzeit kann künftig bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommen werden.
Für den Anspruch auf Elternteilzeit gilt ein Höchstausmaß von sieben Jahren, von dem die Dauer des Beschäftigungsverbotes sowie die Dauer der von beiden Elternteilen für dasselbe Kind in Anspruch genommenen Elternkarenz abzuziehen und der Zeitraum zwischen der Vollendung des siebten Lebensjahres und dem späteren Schuleintritt des Kindes hinzuzurechnen ist. Ist das Höchstausmaß des Anspruchs auf Elternteilzeit ausgeschöpft, kann mit Arbeitgeber:innen dennoch Elternteilzeit für das achte Lebensjahr vereinbart werden.
Die Ablehnung einer vereinbarten Elternteilzeit muss künftig von Arbeitgeber:innen schriftlich begründet werden.
Auch im Hinblick auf den bereits bestehenden Motivkündigungsschutz bei Elternteilzeit nach Ablauf des vierten Lebensjahres des Kindes kann künftig von betroffenen Arbeitnehmer:innen eine schriftliche Begründung der Kündigung verlangt werden.
Auch die Änderungen betreffend die Elternteilzeit erfolgen, um den Anforderungen der oben erwähnten EU-Richtlinie nachzukommen.
Ausweitung der Pflegefreistellung und Kündigungsschutz
Zur Umsetzung der eingangs erwähnten EU-Richtlinie soll zudem eine Freistellung zur Pflege naher Angehöriger künftig auch dann möglich sein, wenn diese nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Darüber hinaus ermöglicht die Novelle auch eine Freistellung zur Pflege von Personen, die nicht Angehörige sind, aber im gemeinsamen Haushalt leben.
Zudem wird ein Motivkündigungsschutz in Bezug auf eine beabsichtigte oder tatsächlich in Anspruch genommene Pflegefreistellung normiert. In diesem Zusammenhang sind Arbeitgeber:innen auch verpflichtet, auf Verlangen eine schriftliche Begründung der Kündigung auszustellen.
Diskriminierungsschutz
Um der EU-Richtlinie zu entsprechen, wird der Diskriminierungsschutz des Gleichbehandlungsgesetzes dahingehend erweitert, dass er auch für Diskriminierungen in Zusammenhang mit Elternkarenz, Elternteilzeit, Pflegefreistellung und anderen Freistellungen aus familiären Gründen gilt, auch wenn dabei keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt.
Hemmung von Verjährungs- und Verfallsfristen
Ebenfalls in Umsetzung der EU-Richtlinie ist eine Hemmung von gesetzlichen, kollektivvertraglichen und vertraglichen Verjährungs- und Verfallsfristen in folgenden Fällen vorgesehen:
- während einer Karenz und Freistellung aus Anlass der Geburt eines Kindes,
- während einer Pflegefreistellung,
- während einer Dienstverhinderung wegen Krankheit oder Unfall eines nahen Angehörigen,
- während einer Freistellung zur Sterbebegleitung, Begleitung schwersterkrankter Kinder und einer Pflegekarenz.
Diesbezüglich ist nunmehr vorgesehen, dass der Ablauf von Verjährungs- und Verfallsfristen bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Ende der jeweiligen Freistellung bzw. Karenzierung gehemmt wird.
Auslaufen der Förderung der geblockten Altersteilzeit
Die Förderung der geblockten Variante der Altersteilzeit wird ab 1. Jänner 2024 bis 2029 schrittweise eingestellt. Konkret verringert sich der abzugeltende Anteil der Aufwendungen bei geblockter Altersteilzeit (derzeit 50%) für Vereinbarungen, deren Laufzeit ab 2024 beginnt, jährlich stufenweise (2024: auf 42,5%, 2025: auf 35%, 2026: auf 27,5%, 2027: auf 20%, 2028: auf 10%). Für Blockzeitvereinbarungen, deren Laufzeit ab dem 1. Jänner 2029 beginnt, gebührt gar keine Abgeltung mehr.
Begründet wird diese Änderung damit, dass die Altersteilzeit ihrem Wesen nach einer vorzeitigen Alterspension entspricht und keine wesentlichen arbeitsmarktpolitischen Ziele verfolgt.
Im Ergebnis stehen somit im Arbeitsrecht erneut einige wichtige und spannende Gesetzesänderungen an. Hervorzuheben sind dabei insbesondere die in Umsetzung der erwähnten EU-Richtlinie eingeführte schriftliche Begründungspflicht für Kündigungen und Hemmung der Verjährung in Zusammenhang mit Elternkarenz, Elternteilzeit, Pflegefreistellungen und sonstigen Freistellungen aus familiären Gründen. Man darf gespannt sein, wie die genannten Änderungen in der arbeitsrechtlichen Praxis letztendlich aufgenommen werden.
Gerne unterstützen wir Sie bei sämtlichen Fragen in Zusammenhang mit Elternkarenz, Pflegefreistellung etc. sowie Altersteilzeit.
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