Kurzupdates zur Grenzgängerregelung mit Deutschland
1. Home-Office Tage künftig keine Schädlichkeitstage
Ab 1.1.2024 soll eine Novellierung zur bestehenden Grenzgängerregelung gemäß Art 15 Abs 6 Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland (kurz „DBA Deutschland“) Erleichterungen in Bezug auf Home-Office Tätigkeiten bringen und somit den sich seit der Covid-19 Pandemie veränderten Arbeitsformen Rechnung tragen.
Grenzgänger sind Personen, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben und in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, in welchen sie in der Regel täglich zurückkehren. Zu beachten gilt, dass Arbeits- und Wohnort in der Nähe der Grenze (innerhalb einer Grenzzone von 30 Kilometer Luftlinie) liegen müssen. Aufgrund der Nahebeziehung zu jenem Staat, in demder Wohnort gelegen ist, regelt Art 15 Abs 6 DBA Deutschland abweichend von der Grundregel des Art 15 Abs 1 DBA Deutschland, dass Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen von Grenzgängern im Ansässigkeitsstaat und nicht im Tätigkeitsstaat zu besteuern sind.
Sowohl Tage, an denen Grenzgänger nicht vom Arbeitsort zum Wohnort zurückpendeln, als auch jene Tage, an denen Grenzgänger gar nicht erst zum Arbeitsort pendeln (unter anderem Home-Office Tage am Wohnort oder Remote-Work Tage in Drittstaaten) wurden bisher als schädliche Nichtrückkehrtage gewertet. Mit Deutschland ist eine Toleranzgrenze von 45 Schädlichkeitstagen (bzw. bei unterjährigem Beschäftigungsbeginn höchstens 20% der tatsächlichen Arbeitstage) vereinbart. Bei Überschreiten dieser Toleranzgrenze verliert der Steuerpflichtige bislang seine Grenzgängereigenschaft.
Das geplante Update zur Grenzgängerregelung soll ein Arbeiten und Wohnen innerhalb der Grenzzone ohne tägliches Pendeln ermöglichen. Demnach sollen (anders als bisher geregelt) Home-Office Tage künftig nicht mehr in die 45-Tage-Grenze hineinfließen. Tätigkeiten außerhalb der Grenzzone (unter anderem Remote-Work Tage in Drittstaaten) sind weiterhin für die 45-Tage-Grenze maßgeblich.
Um eine aliquote Anwendung der 45-Tage-Grenze in Fällen des unterjährigen Zuzugs bzw. Wegzugs, einem Wechsel des Arbeitgebers oder des Beschäftigungsausmaßes (Teilzeit) sicherzustellen, gilt auch weiterhin die zweifache Deckelung durch Normierung einer Schädlichkeitsgrenze von höchstens 20% der tatsächlichen Arbeitstage, die außerhalb der Grenzzone gearbeitet werden können.
Der Begriff „in der Nähe der Grenze“ umfasst jene Gemeinden, deren Gebiet ganz oder teilweise in einer Zone von je 30 Kilometern beiderseits der Grenze liegt. Um Bemessungsdifferenzen betreffend die 30-Kilometer-Grenzzone künftig zu vermeiden, soll außerdem eine Liste jener Gemeinden, die innerhalb dieser Grenzzone liegen, in die Konsultationsvereinbarung aufgenommen werden
2. Klarstellung zum Rückkehrerfordernis bei Bereitschaftsdiensten
Der VwGH hat in seinem Erkenntnis (VwGH 21.6.2023, Ro 2021/15/0036) klargestellt, dass eine 24-Stunden-Arbeitsschicht inklusive Bereitschaftsdienst am Tätigkeitsort nicht als schädlicher Nichtrückkehrtag im Sinne des DBA zu werten ist.
Die von diesem Erkenntnis betroffene Ärztin eines deutschen Krankenhauses, deren Arbeits- und Wohnort weniger als 30 Kilometer voneinander entfernt und somit innerhalb der Grenzzone lagen, ging zunächst vom Verlust der Grenzgängereigenschaft und somit von keiner Steuerpflicht in Österreich aus. Begründend führte die Ärztin aus, dass sie an mehr als 45 Tagen unter anderem aufgrund von 24-Stunden Schichten nicht an ihren Wohnort in Österreich zurückgekehrt sei.
Dem BFG folgend hat der VwGH ausgesprochen, dass ein über Nacht dauernder 24-Stunden Bereitschaftsdienst mit nachfolgendem unmittelbaren Rückpendeln an den Wohnsitz das Kriterium eines schädlichen Nichtrückkehrtages nicht erfüllt. Begründend führte der VwGH aus, dass die in Art 15 Abs 6 DBA Deutschland geforderte tägliche Rückkehr als „arbeitstäglich“ zu verstehen ist.
Ein Arbeitstag einer Ärztin gehe regelmäßig über die Tagesgrenze bzw. über die Grenzen der Normalarbeitszeit hinaus. Eine durch eine (Ruf-)Bereitschaft bedingte Übernachtung am Arbeitsort sei daher unschädlich. Auch geringfügige Überschreitungen des 24-Stunden Bereitschaftsdienstes aufgrund von Vor- oder Nachbereitungsarbeiten hat der VwGH als unschädlich definiert. Folgt jedoch auf einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst ein normaler Tagesdienst, ist das Ausmaß eines Arbeitstages klar überschritten und das Kriterium eines betrieblich bedingten, schädlichen Nichtrückkehrtages erfüllt.
In Folge haben BFG und VwGH die Anwendung der Grenzgängerregelung für die Ärztin mangels Vorliegen von mehr als 45 Schädlichkeitstagen bejaht.
Es ist davon auszugehen, dass dieses Judikat nicht nur auf die Berufsgruppe der Ärzt/innen, sondern auf alle Berufsgruppen mit 24-Stunden Schichtbetrieb Anwendung finden wird.