Aufgepasst: Erinnerung zum innerstaatlichen Progressionsvorbehalt
Mit immer näher rückendem Ende des Steuerjahres 2023 beginnt die oft als mühsam erachtete Aufgabe, die steuerlichen Dokumente für den österreichischen Fiskus bereit zu halten.
In diesem Zusammenhang möchten wir das VwGH Erkenntnis vom 7.9.2022, Ra 2021/13/0067-5 in Erinnerung rufen, in welchem der VwGH entgegen bisheriger Verwaltungspraxis einen nationalen Progressionsvorbehalt im Fall eines im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen bestätigt hat.
Was besagt die Regel zum innerstaatlichen Progressionsvorbehalt?
Der Progressionsvorbehalt bestimmt, dass für die Ermittlung des Tarifsteuersatzes auch jene Teile des Welteinkommens berücksichtigt werden, deren Besteuerungsrecht unter Berücksichtigung des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) dem anderen Staat zugewiesen ist. In der Praxis bedeutet dies, dass Österreich den ihm zugewiesenen Teil des Einkommens mit dem Steuersatz entfallend auf das gesamte Welteinkommen besteuern wird, und zwar unabhängig davon, ob Österreich Ansässigkeits- oder Quellenstaat ist.
Der nun klargestellte nationale Progressionsvorbehalt ergibt sich laut VwGH aus dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Anordnung im Einkommensteuergesetz, dass sich der Steuersatz nach dem (entsprechend der Vorschriften des EStG ermittelten) Welteinkommen bemisst.
Die österreichische Finanzverwaltung hat das neue Judikat in die Einkommensteuerrichtlinien aufgenommen und sich für eine Anwendung ab dem Steuerjahr 2023 ausgesprochen.
Wer ist davon betroffen?
- Unmittelbar von der neuen Regelung betroffen sind unbeschränkt steuerpflichtige, natürliche Personen deren Ansässigkeit gemäß DBA im Ausland liegt.
- Die unbeschränkte Steuerpflicht gilt als erfüllt, sofern in Österreich ein Wohnsitz (somit eine Wohnung, die man innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass man diese beibehalten oder benutzen wird) oder ein gewöhnlicher Aufenthalt (somit einen Aufenthalt, der erkennen lässt, dass man an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt) vorliegt.
- Das Kriterium der Ansässigkeit ist für all jene erfüllt, deren engeren persönlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen zum Ausland bestehen (subsidiär sind die Merkmale des gewöhnlichen Aufenthalts oder der Staatsangehörigkeit relevant).
Was bedeutet dies konkret?
Demnach ist ab dem Steuerjahr 2023 durch die Anwendung des innerstaatlichen Progressionsvorbehalts mit einer höheren österreichischen Einkommensteuerbelastung zu rechnen. Außerdem haben im Ausland ansässige natürliche Personen mit unbeschränkter Steuerpflicht in Österreich eine verpflichtende Einkommensteuererklärung in Österreich abzugeben, sofern die dem anderen Staat zur Besteuerung zugewiesenen Einkünfte (inklusive der Progressionseinkünfte) einen Betrag von 730 Euro übersteigen.
Praxistipps: Bereitzuhaltende Unterlagen
Jene Steuerpflichtige, welche von der neuen Verwaltungspraxis unmittelbar betroffen sind, sind angehalten eine vollständige Dokumentation der dem Ausland zugewiesenen Einkünfte bereit zu halten. Dies betrifft nicht nur tarifsteuerpflichtige Einkunftsarten (wie z.B. Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung), sondern auch jene Einkunftsarten, welche einem Sondersteuersatz unterliegen (wie z.B. Einkünfte aus Kapitalvermögen).
Exkurs: Zweitwohnsitzverordnung als Rettungsanker?
Erwähnenswert ist, dass im Ausland ansässige Steuerpflichtige, die in Österreich mangels Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes nur der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen, nicht in den Anwendungsbereich des nationalen Progressionsvorbehalts fallen.
In diesem Zusammenhang rückt die bisher als stiefmütterlich behandelte Zweitwohnsitzverordnung in bedeutsameres Licht, aufgrund derer Steuerpflichtige trotz Vorliegens eines Wohnsitzes in Österreich als nur beschränkt steuerpflichtig gelten. Die Voraussetzungen der Zweitwohnsitzverordnung, die es zu erfüllen gilt, sind:
- Mittelpunkt der Lebensinteressen liegt seit mehr als 5 Kalenderjahren im Ausland UND
- Inländische Wohnung wird nicht mehr als 70 Tage im Kalenderjahr genutzt werden (Verzeichnis ist zu führen!)
Beachtenswert ist, dass die Zweitwohnsitzverordnung (und somit die beschränkte Steuerpflicht) bereits ab dem Folgejahr bejaht werden, wenn erkennbar ist, dass sich die Ansässigkeit dauerhaft oder für mehr als fünf Jahre ins Ausland verlagert.