Zwei OGH-Entscheidungen zur Kürzung einer All-In-Pauschale bei Elternteilzeit – Was gilt es für Arbeitgeber:innen künftig zu beachten?
Der OGH hat unlängst zwei Entscheidungen (9 ObA 83/22d und 8 ObA 22/22a) zur Kürzung von All-In-Pauschalen bei Elternteilzeit erlassen. In der Praxis bereitet die Kürzung bzw der Widerruf von All-In-Pauschalen häufig Schwierigkeiten und sorgt für Diskussionen. Erfolgte nun eine Klarstellung durch das Höchstgericht? Unsere Expert:innen aus dem Arbeitsrechtsteam Dr. Ursula Roberts und Mag. Alexander Bele geben dazu einen Überblick:
All-In-Pauschale und Elternteilzeit
All-In-Vereinbarungen sind ein beliebtes Regelungsinstrument für die Abdeckung von Mehrarbeitsleistungen und gehören in vielen Fällen zum Standardinhalt eines Arbeitsvertrages. All-In-Vereinbarungen haben bestimmte gesetzliche Mindestanforderungen zu erfüllen. Unter anderem müssen die Höhe des Grundgehalts und weitere Entgeltbestandteile betragsmäßig in der Vereinbarung ausgewiesen werden (§ 2 Abs 2 Z 9 AVRAG).
Elternteilzeit (ETZ) gewinnt bei Arbeitnehmer:innen (AN) immer mehr an Beliebtheit (vgl §§ 15h oder 15i MSchG bzw §§ 8 oder 8a VKG). Während der ETZ ist das Entgelt um die reduzierte Arbeitszeit zu kürzen. Die AN sind während der ETZ grundsätzlich nicht zur Leistung von Mehr- und Überstundenarbeit verpflichtet (§ 19d Abs 8 iVm Abs 3 AZG). In der Praxis stellen sich daher regelmäßig dahingehend Fragen, worin die Basis für das reduzierte Entgelt in der ETZ liegt und welche Auswirkungen ETZ auf eine vereinbarte All-In-Pauschale haben kann. Diese Vereinbarung basiert schließlich grundsätzlich auf der beiderseitigen Annahme der Arbeitsvertragsparteien, dass Mehr- bzw Überstunden vom AN auch tatsächlich geleistet werden (dürfen).
Der OGH (9 ObA 30/15z) hat dahingehend bereits zu Überstundenpauschalen, mit denen vertraglich eine bestimmte Anzahl von Mehr- und Überstunden abgegolten wird, entschieden, dass es im Fall von ETZ zu einem grundsätzlichen Ruhen des Anspruchs auf die monatliche Überstundenpauschale kommt, da für die Dauer der ETZ keine Verpflichtung zur Erbringung von Überstunden besteht. Laut Höchstgericht wäre das Synallagma zwischen Arbeitsleistung und Entgelt erheblich gestört, wenn Arbeitgeber:innen (AG) verpflichtet wären, AN die Überstundenpauschale weiter zu bezahlen, ohne von den AN die Leistung von Mehrstunden fordern zu dürfen. Um dieses Synallagma wiederherzustellen, sei es laut OGH nur konsequent und sachgerecht, wenn für die Dauer der ETZ der Anspruch auf die pauschale Überstundenentlohnung in diesen Fällen grundsätzlich ruhe.
In der Praxis herrschte bislang Unsicherheit, ob diese einseitige Kürzungsmöglichkeit auch hinsichtlich der Überzahlungen bei All-In-Vereinbarungen gelten soll. In der Literatur überwogen die Stimmen, dass die einseitige Kürzung der Pauschale auch bei All-In-Vereinbarungen während der ETZ zulässig sei, wenn eindeutig bestimmbar ist, welcher Anteil der Überzahlung der Überstundenabgeltung dienen sollte.
Hat der OGH mit seinen jüngsten Entscheidungen Klarheit gebracht?
Nunmehr hat sich der OGH (9 ObA 83/22d) der herrschenden Ansicht in der Literatur angeschlossen und entschieden, dass die genannten Grundsätze unter bestimmten Voraussetzungen auch auf eine All-In-Pauschale übertragen werden können.
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt im Geltungsbereich des Kollektivvertrags für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetreiben (KV Handel) ging es um eine All-In-Pauschale, mit der eine konkrete Anzahl an Mehr- und Überstunden (25 bzw 15) abgedeckt sein sollte. Der AG war laut OGH berechtigt, die Mehr- und Überstunden aus dem Entgelt herauszurechnen und das monatliche Entgelt entsprechend zu kürzen.
Der OGH stellte dabei klar, dass während der ETZ (nur) jener Teil des Arbeitsentgelts ruht, der über das Grundgehalt hinaus für die Leistung von Mehr- und Überstunden bezahlt wird. Das Entgelt darf demnach vom AG (nur) um jenen Betrag gekürzt werden, der den in der All-In-Pauschale enthaltenen Mehr- und Überstunden gewidmet ist. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Kürzung ist, dass der Anteil der zu leistenden Mehr- und Überstunden klar bestimmbar ist. Bei mangelnder Transparenz der All-in-Vereinbarung in Bezug auf die Mehr- und Überstunden darf diese hingegen nicht gekürzt werden. Erfolgt eine Kürzung oder Streichung der Pauschale während der ETZ und werden tatsächlich Mehr- oder Überstunden vom AN geleistet, gebührt die Abgeltung dieser dann im Wege der Einzelverrechnung.
In einer weiteren aktuellen Entscheidung hatte der OGH (8 ObA 22/22a) einen ähnlich gelagerten Fall zu entscheiden. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt im Anwendungsbereich des Kollektivvertrags für Angestellte bei Banken und Bankiers (KV Banken) war zusätzlich im Vergleich zur vorgenannten Entscheidung vereinbart, dass mit der All-In-Vereinbarung alle Arbeitsleistungen, insbesondere Überstunden, Mehrstunden und Zuschläge, sowie Reise- und Wartezeiten auf Dienstreisen, vollständig abgegolten sein sollten.
Es wurde im Arbeitsvertrag allerdings festgehalten, dass davon ausgegangen werde, dass im Durchschnitt 25 Mehr- und Überstunden pro Monat geleistet werden. Der OGH interpretierte diese Vertragsbestimmung dahingehend, dass diese Formulierung objektiv so verstanden werden müsse, dass Überstunden in diesem Ausmaß vom AG verlangt werden könnten, bei Bedarf zu leisten seien und mit dem Fixgehalt pauschal abgegolten seien. Dies führe zu einer ausreichenden Abgrenzung des bestimmten Überstundenanteils in zeitlicher Hinsicht. Somit könnten die 25 Mehr- und Überstunden monatlich nach Ansicht des OGH einen geeigneten Anknüpfungspunkt für den mindestens bestimmbaren Anteil der Mehr- und Überstunden bilden, was für eine zulässige Reduktion der All-In-Pauschale (nur) in Bezug auf die Mehr- und Überstunden ausreiche. Dass noch andere Entgeltbestandteile von der All-In-Pauschale abgegolten sein sollten, schließe die Zuordnung eines bestimmbaren Anteils für Mehr- und Überstunden laut OGH nicht aus. Der AG war daher berechtigt, 25 Mehr- und Überstunden aus dem Entgelt herauszurechnen. Die übrigen Entgeltbestandteile der All-In-Pauschale wurden nicht gekürzt.
Fazit und Auswirkungen auf die Praxis
Die beiden OGH-Entscheidungen haben aufgezeigt, dass es grundsätzlich auch bei All-In-Pauschalen zu einem Ruhen der Pauschale während der ETZ kommen kann.
Der OGH gibt allerdings in den beiden erwähnten Entscheidungen eine recht eindeutige Richtung vor, wann auch im Fall von All-In-Vereinbarungen ein Ruhen der Pauschale während der ETZ erfolgen kann. Beide Entscheidungen folgen der bereits zur Überstundenpauschale ergangenen Rechtsprechung, in dem sie einen klar bestimmbaren Anteil an zu leistenden Mehr- und Überstunden als Voraussetzung für die Kürzung der Pauschale als erforderlich erachten.
Festzuhalten ist dennoch, dass die in beiden erwähnten OGH-Entscheidungen zu Grunde liegenden Arbeitsverträge bzw All-In-Klauseln nicht dem gängigen Regelfall in der Praxis entsprechen. Hier sind vielmehr häufig „echte“ All-In-Pauschalen geläufig, durch welche die Überzahlung nicht nur sämtliche Mehr- und Überstunden abgelten soll, sondern auch zusätzlich weitere arbeitszeitbezogene Entgelte wie Reisezeiten, Rufbereitschaften, kollektivvertragliche Zulagen etc von der Pauschale miteingeschlossen sein sollen. Konkrete Zahlen zur Bestimmbarkeit der Mehr- und Überstunden sind in derartigen Pauschalen eher die Ausnahme. Es bleibt somit abzuwarten, wie der OGH die Kürzung einer „echten“ All-In-Pauschale während der ETZ beurteilen würde, deren monatliche Mehr- und Überstunden – zumindest durch den schriftlichen Arbeitsvertrag – nicht bestimmbar sind.
Handlungsempfehlung
Das Recht, bei ETZ den monatlichen Bezug um die All-In-Pauschale zu kürzen, ist stets im Einzelfall zu prüfen. Insbesondere ist zu überprüfen, (i) ob die All-In-Pauschale den Transparenzbestimmungen des AVRAG entspricht, (ii) welche Entgeltbestandteile von der All-In-Pauschale umfasst sind und ob (iii) konkret bestimmbar ist, welcher Teil der Überzahlung nur für die Mehr- und Überstundenleistung vorgesehen ist.
Um Schwierigkeiten bei All-In-Pauschalen in Verbindung mit ETZ zu berücksichtigen, empfehlen wir, möglichst klare Regelungen im Arbeitsvertrag zu treffen.
Sollten Sie dazu Fragen haben oder Unterstützung benötigen, stehen Ihnen unsere Expert:innen aus dem Arbeitsrechtsteam gerne zur Verfügung.