Neue Begriffsdefinitionen zur Betriebsstätte durch das österreichische BMF
Mit Veröffentlichung der Verrechnungspreisrichtlinien 2021 wurden die jüngsten Entwicklungen auf OECD-Ebene im Zusammenhang mit der Definition des Betriebsstättenbegriffs teilweise in die österreichische Finanzverwaltungspraxis übernommen.
Betriebsstättenbegriff im nationalen und internationalen Kontext
Das österreichische Abgabenrecht nimmt in mehrerlei Hinsicht auf das Vorliegen einer Betriebsstätte Bezug:
- So einerseits für Zwecke der Körperschaftsteuer, wo diese als „feste, örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes dient“ definiert wird. Nach der bisherigen Verwaltungspraxis ist es dabei erforderlich, dass sich die Anlage oder Einrichtung „dauerhaft in der Verfügungsmacht des Unternehmens befindet“.
- Für (ausländische) Arbeitgeber von Relevanz ist – davon abgesehen – jedoch auch die sogenannte „lohnsteuerliche Betriebsstätte“, die nämlich bereits dann anzunehmen ist, wenn die feste örtliche Anlage oder Einrichtung vom Arbeitgeber im Inland die Dauer von mehr als einem Monat unterhalten wird. Im Unterschied zur körperschaftsteuerlichen ist die lohnsteuerliche Betriebsstätte auch nicht durch das Vorliegen eines bilateralen Doppelbesteuerungsabkommens beschränkt.
Während innerstaatlich die Begriffsdefinition von einem ortsbezogenen Element geprägt ist, unterscheidet der abkommensrechtliche Begriff (siehe Artikel 5 OECD-Musterabkommen, stellvertretend für das jeweils anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen) die örtliche Betriebsstätte („feste Geschäftseinrichtungen, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“) von der personenbezogenen Vertreterbetriebsstätte.
Evident ist, dass sowohl auf innerstaatlicher und abkommensrechtlicher Ebene eine feste Geschäftseinrichtung für eine gewisse Dauer (meist mehr als sechs Monate) angelegt sein muss, um den Betriebsstättenbegriff zu erfüllen. Diese sechsmonatige Frist gelangt im Fall von konzerninternen Assistenzleistungen (Aktivleistungen) zur Anwendung und führt bei Überschreiten zu einer Betriebsstätte für den ausländischen Arbeitgeber. Bei bloßer konzerninterner Arbeitskräftegestellung (Passivleistung) ist dies nicht der Fall, hier kommt es in der Regel nicht zur Annahme einer Betriebsstätte des Arbeitgebers.
Faktische Verfügungsmacht iSd „Painters‘ Example“
Die OECD spricht davon, dass ein Unternehmer eine faktische Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung haben muss, welche über eine gelegentliche Nutzung oder bloße Mitbenutzungsmöglichkeit hinausgeht und dauerhaften Charakter hat.
Neu in dem Zusammenhang ist, dass eine faktische Verfügungsmacht bereits im Fall eines Anstreichers, der bei seinem Hauptauftraggeber zwei Jahre lang dreimal wöchentlich Malerarbeiten durchführt, durch die regelmäßige, dauerhafte Anwesenheit, bejaht wird. Damit hat das BMF den Betriebsstättenbegriff ausgedehnt und an die OECD-Meinung angepasst. Unklar ist, ab welchem Steuerjahr diese weitergehende Auslegung greifen soll.
- Keine faktische Verfügungsmacht sieht das BMF hingegen bei einem Unternehmer vor, der regelmäßig einen Einkaufsleiter zur Aufnahme von Bestellungen in seinem Büro besucht (zumal dieses Beispiel leider etwas unglücklich gewählt ist, da in dieser Konstellation das Risiko einer Vertreterbetriebsstätte -siehe unten – bestehen könnte).
Sonderfall: (Flexibler) Arbeitsplatz im Großraumbüro
Klargestellt wird, dass die faktische Verfügungsmacht über einen örtlich gebundenen, abgegrenzten Raumteil genügt, weswegen die dauerhafte Zuweisung eines bestimmten oder flexiblen Arbeitsplatzes in einem Großraumbüro ebenso zum Entstehen einer Betriebsstätte führen kann. In der Praxis führt dies bei Arbeiten beim österreichischen Kunden vor Ort zu einem erhöhten Betriebsstättenrisiko.
Sonderfall: Home-Office Betriebsstätte
Im Zusammenhang mit einer nicht bloß gelegentlichen, sondern dauerhaften Home-Office Tätigkeit eines Arbeitnehmers, welche in Abstimmung mit dem Arbeitgeber erfolgt, kann der Arbeitgeber die faktische Verfügungsmacht über die Privatwohnung des Arbeitnehmers erlangen, sodass auch durch eine Home-Office Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet werden kann. Dabei sind die Ausnahmen für vorbereitende oder Hilfstätigkeiten zu beachten (https://people-organisation.pwc.at/2021/06/neue-eas-zur-betriebsstaette-bei-hilfstaetigkeiten-im-konzern/).
- Explizit festgelegt wurde nun, dass eine Home-Office Tätigkeit von unter 25% der Gesamtarbeitszeit des Arbeitnehmers (z.B. ein Tag pro Woche) typischerweise das Kriterium der Dauerhaftigkeit nicht erfüllt. Liegt jedoch eine mehr als 50% Nutzung vor, wird jedenfalls eine Home-Office Betriebsstätte begründet. Unsicherheit besteht daher nach wie vor sowohl für die Grauzone zwischen 25% und 50%, als auch für das Formerfordernis der geforderten Abstimmung mit dem Arbeitgeber.
- Weiterhin in Geltung steht die bisherige Ansicht des BMF, wonach Privatwohnungen der Arbeitnehmer unabhängig von der darin verbrachten Arbeitszeit jedenfalls eine Betriebsstätte begründen können, sofern sie eine Außenwirkung für das Unternehmen haben, wie z.B. als Stützpunkt der Auftragserfüllung, bei Nutzung der Home-Office Adresse im Geschäftsverkehr oder bei Nutzung für (physische) Kundenbesprechungen.
Sonderfall: Vertreterbetriebsstätte
Ein Vertreter kann abkommensrechtlich eine Vertreterbetriebsstätte begründen, wenn eine Abhängigkeit zum Vertretenen gegeben ist und der Vertreter über eine wirtschaftliche Verkaufsvollmacht bzw. faktische Abschlussvollmacht verfügt. Letzteres ist erfüllt, wenn der Vertreter Verträge im Namen des Vertretenen abzuschließen berechtigt ist.
- Neu ist, dass neben dem Vorliegen der Vollmacht auch auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise abgestellt wird. Konkret ist zu prüfen, ob der Vertreter gewöhnlich Verträge abschließt oder dabei die führende Rolle spielt und ob es sich dabei um Verträge im Namen des Unternehmens oder um Verträge für Waren, Nutzungsrechte oder Dienstleistungen des Unternehmens handelt, welche regelmäßig und ohne wesentliche Änderungen durch das Unternehmen abgeschlossen werden. In der Praxis führt dies daher zu einem erhöhten Vertreterbetriebsstättenrisiko.
- Weiterhin gültig ist die bisherige Ansicht des BMF, dass auch ein Organ (Geschäftsführer) einer Kapitalgesellschaft bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen eine Vertreterbetriebsstätte begründen kann.
Was bringt die Zukunft?
In welcher Weise sich die neuen Definitionen zum Betriebsstättenbegriff in der Praxis niederschlagen und ob diese auch auf die Betriebsstätten für (rein) lohnsteuerliche Zwecke Anwendung finden werden, bleibt abzuwarten. Insbesondere zu letzterem wurde eine Abgrenzung im Rahmen der Lohnsteuerrichtlinien angekündigt. Sobald gesicherte Informationen vorliegen, werden wir umgehend informieren.