Sozialpläne: VwGH zur Abzugsfähigkeit von freiwilligen Abfertigungen als Betriebsausgabe
Unternehmen, die aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19 Pandemie Sozialpläne verhandeln, konnten bislang den Aufwand nicht gesichert kalkulieren: Es war strittig, ob freiwillige Abfertigungen an Arbeitnehmer im System Abfertigung neu tatsächlich zur Gänze nicht als Betriebsausgabe abzugsfähig sind[1]. Der VwGH hat nun entschieden[2] und geht von einer teilweisen Abzugsfähigkeit aus. Die Umsetzung der Auslegung ist in der Praxis mit Hindernissen verbunden.
Die Kernaussagen des VwGH:
- Freiwillige Abfertigungen unterliegen dem Abzugsverbot nach § 20 Abs 1 Z 8 EStG, egal ob sie an Mitarbeiter im System Abfertigung alt oder im System Abfertigung neu geleistet werden. Das gilt auch dann, wenn sie im Rahmen von Sozialplänen gewährt werden.
- Das Abzugsverbot sieht vor, dass freiwillige Abfertigungen nur soweit abzugsfähig sind, als sie beim Arbeitnehmer mit dem Steuersatz von 6 % zu versteuern sind. Damit soll eine nach der Dauer der Dienstzeit gestaffelte Obergrenze für die Abzugsfähigkeit vorgesehen werden, die analog zu den lohnsteuerlich begünstigten Beträgen zu berechnen ist.
- Freiwillige Abfertigungen im System Abfertigung neu können beim Arbeitnehmer nicht mit 6% besteuert werden. Das soll aber nicht dazu führen, dass sie zur Gänze vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind. Der abzugsfähige Betrag ist in diesen Fällen nach den gleichen Ermittlungsvorschriften zu bestimmen wie im System Abfertigung alt (nach § 67 Abs 6 Z 1 bis 6 EStG).
Ermittlung der abzugsfähigen Beträge:
1. Freiwillige Abfertigungen im System Abfertigung alt:
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- Die Ermittlung des abzugsfähigen Betrags deckt sich mit der Ermittlung des beim Arbeitnehmer begünstigt besteuerten Betrages – der mit 6% besteuerte Teil der freiwilligen Abfertigung ist auch als Betriebsausgabe abzugsfähig.
2. Freiwillige Abfertigung im System Abfertigung neu
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- Der abzugsfähige Betrag muss analog zum System Abfertigung alt ermittelt werden.
- Viertelregelung: Diese abzugsfähige Komponente hängt von den laufenden Bezügen des jeweiligen Arbeitnehmers ab. Ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten 12 Monate, gedeckelt mit dem Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage ist jedenfalls abzugsfähig (im Jahr 2021: max. 49.950 Euro).
- Zwölftelregelung: inwieweit dienstzeitabhängig ein zusätzlich abzugsfähiger Betrag berücksichtigt werden kann, hängt davon ab, für welche Zeiträume während der Dienstzeit ausbezahlte (freiwillige) Abfertigungen, Übertragungsbeträge an eine BV-Kasse im Falle eines Übertritts in das neue Abfertigungssystem, Abfertigungen aus BV-Kassen und bestehende Ansprüche auf Abfertigung auch gegenüber einer BV-Kasse nachgewiesen werden können. Für Vordienstzeiten von früheren Arbeitgebern wird es in der Praxis häufig nicht möglich sein, diese Nachweise zu erhalten. Auch für zusammenhängende Dienstzeiten im eigenen Unternehmen hat der Arbeitgeber ohne Mitwirkung des Arbeitnehmers keine Information zum Abfertigungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber der BV-Kasse. Es spricht viel dafür, die vom Arbeitgeber an die BV-Kasse geleisteten Beiträge und Übertragungsbeträge anzusetzen. Es bleibt abzuwarten, ob das BFG den VwGH im Zuge der Entscheidung der derzeit anhängigen Fälle interpretieren und die Umsetzung konkretisieren wird.
Ermittlung der abzugsfähigen Beträge nach der Zwölftelregelung:
- Der abzugsfähige Betrag hängt von den nachgewiesenen Dienstzeiten und den laufenden Bezügen des jeweiligen Dienstnehmers ab (siehe Tabelle). Er ist gedeckelt mit der 3-fachen monatlichen Höchstbeitragsgrundlage x dienstzeitabhängiger Faktor (im Jahr 2021 für 25 Dienstjahre: max. 199.800 Euro)
- Der unter Berücksichtigung der Deckelung ermittelte dienstzeitabhängige Betrag ist um während der nachgewiesenen Dienstzeit erhaltene (auch freiwillige) Abfertigungen, Übertragungsbeträge an BV-Kassen, Abfertigungen aus BV-Kassen, sowie bestehende Ansprüche auf Abfertigung gegenüber dem Arbeitgeber und bestehende Ansprüche auf Abfertigung gegenüber BV-Kassen (bzw nach vielfach vertretener Interpretation[3] um die an die BV-Kassen in der nachgewiesenen Dienstzeit geleisteten Beiträge) zu kürzen.
Hinweise für die Praxis:
1. Im Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärungen ist es zu spät: Stellen Sie sicher, dass schon bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die benötigten Nachweise vom Arbeitnehmer eingeholt werden, wenn freiwillige Abfertigungen ausbezahlt werden.
2. Kontaktieren Sie Ihren Softwareprovider: häufig sind Anpassungen notwendig, damit die Personalverrechnungssoftware Hilfswerte für die Ermittlung der abzugsfähigen Beträge für Arbeitnehmer im System Abfertigung neu liefert. Auch die über die Dienstzeit im Unternehmen kumulierte Summe der geleisteten BV-Beiträge je Arbeitnehmer sollte im System mitgeführt werden.
3. Für aktuelle Körperschaftsteuerberechnungen und offene Verfahren ist dieses VwGH-Erkenntnis bereits zu berücksichtigen. Für die Vorjahre hängt die empfohlene Vorgehensweise von der bisher angewendeten Auslegung ab. Prüfen Sie, ob eine Bescheidkorrektur zu Ihren Gunsten noch möglich ist.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Umsetzung der neuen Berechnungslogik und bei der Geltendmachung Ihrer Ansprüche im Rechtsmittelverfahren.
[1] https://steuernachrichten.pwc.at/blog/2020/08/25/sozialplaene-kein-betriebsausgabenabzug-fuer-freiwillige-abfertigungen-in-abfertigung-neu/ [2] VwGH 7. 12. 2020 Ro 2020/13/0013-4 [3] Daxkobler/Shubshizky, Freiwillige Abfertigungen und Sozialplanzahlungen als Betriebsausgaben, ASoK 2021, 33; Platzer/Jann Abzugsverbot und freiwillige Abfertigungen – Anwendungsprobleme der Interpretation durch den Verwaltungsgerichtshof, ÖStZ iE.